Elvis, the Pelvis

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  • Herbi
    Board-Legende

    • 27.07.2003
    • 25070

    Elvis, the Pelvis

    Elvis, the Pelvis





    Eine Nacht lang war der Times Square am New-Yorker Broadway, der "Straße der Schlaflosen", Schausplatz eines Backfischaufstandes. Zwischen dem neurotisch flackernden Pepsi-Cola-Zeichen und der Camel-Zigaretten-Reklamewand randalierten Tausende von Halbwüchsigen.

    Auf dem Marktplatz der Gefühle der dreieckigen Lichtung vor dem bügeleisenförmigen Wolkenkratzer der "New York Times", wo sich in den Wahlnächten die Anhänger der demokratischen und der republikanischen Präsidentschaftskandidaten mit Fahnen, Plakaten und Sprechchören traditionsgemäß dem Wahltaumel ergeben, wälzten sich 3000 weinende Backfische. Es waren die eingeschriebenen Mitglieder einer neuen Vereinigung die sich der bedingungslosen Verehrung eines neuen Gottes der Halbwüchsigen widmet: Es waren die Mitglieder der "Elvis-Presley-Fan-Clubs".

    Die Auguren der öffentlichen Meinung, die großen Presse-Syndikate und Zeitschriften-Konzerne, die Radio- und Fernsehgesellschaften sandten eilends ihre akademisch geschulten Rechercheure aus, um das neue Phänomen zu ergründen, "das bald die ganze Welt, wenn nicht unterhalten, so doch verwirren wird" ("Life"). Die Psychologen kamen mit einer beunruhigenden Meldung zurück, die der Journalist Eric Random auf die knappe Formel verkürzte: "Presley verwandelt jedes Auditorium in einen Hochdruck-Dampfkessel, dessen Sicherheitsventil zerbrochen ist. Aber nicht, weil er der 'nette Junge von nebenan' ist, sondern aus einem anderen Grunde. Seit Marlon Brando ein Gentleman geworden ist und James Dean sich zu Tode gefahren hat, ist er - der beiden etwas ähnelt - das hervorstechende Symbol der Rebellion."

    Das ist die Deutung, auf die sich die zunächst ratlosen Seelenforscher einigten. Das größte Filmmagazin Hollywoods, die Zeitschrift "Modern Screen", erläuterte die Motive dieser Rebellion auf eigene, probate Weise. "Ich glaube, die Musik von Elvis Presley hat uns aufgerufen, als die Zeit für Rebellion reif war", hieß es in einem Artikel, den angeblich die achtzehnjährige Vorsitzende des "Elvis Presley Fan Clubs" von Dallas (Texas) verfertigt hatte. "Wir leben heute im Atomzeitalter, alles hat Stromlinie - alles, nur nicht die Musik. Während wir in unseren Stromlinienautos fahren, in unseren ultramodernen Häusern wohnen, unsere Fingernägel grün und unser Haar lila färben, sitzen wir in all dieser modernen Umgebung und lauschen dem Jazz von 1924, als wäre er der letzte Schrei der Musik. Vielleicht hat der Jazz eine sentimentale Bedeutung für unsere Eltern, aber uns bedeutet er gar nichts, deswegen glaube ich wirklich, dass die völlig hypnotische Verzauberung, die Elvis mit seinem dynamischen Gesang und Tanz ausübt, ein Produkt unserer selbst ist. Wir können uns zwar nicht auf die Bühne stellen und wie Elvis singen, aber wir können 'Amen' rufen."

    Es scheint tatsächlich, als hätten die amerikanischen Teenager auf Presley gewartet, als seien sie psychisch auf sein Erscheinen vorbereitet gewesen, noch bevor er mit seinem vollen Bariton die erste Note sang. Nur so ist es erklärlich, dass er sich als erster amerikanischer Schlagersänger gegen den ehernen Boykott der gesamten Fachkritik durchgesetzt hat. Der gewaltige Publicity-Apparat, der sonst von der amerikanischen Schlagerindustrie in Bewegung gesetzt werden muss, um einen neuen Gesangsstar zu kreieren, war zum ersten Male nicht erforderlich. Presley brach über Amerika herein wie ein Naturereignis.


    Quelle: DER SPIEGEL Nr. 50 vom 12. Dezember 1956
    Zuletzt geändert von Herbi; 05.07.2005, 15:23

    __Elvis - Artist Of The Century__
  • Tschabo

    #2
    Hehe, diese Ausgabe ist Bestandteil meiner Sammlung!

    Kommentar

    • JimDandy
      Foren-Profi

      • 05.11.2003
      • 499

      #3
      Seit Marlon Brando ein Gentleman geworden ist und James Dean sich zu Tode gefahren hat, ist er - der beiden etwas ähnelt - das hervorstechende Symbol der Rebellion
      Irgendwie find ich den satz gut (natürlich nicht, dass sich James Dean zu Tode gefahren hat)....

      Kommentar

      • SweetCaroline
        Kennt sich hier aus

        • 25.06.2005
        • 70

        #4
        Ein richtig schöner Artikel, danke Herbi!
        Before anyone did anything, Elvis did everything.

        Kommentar

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