Die Geschichte von Elvis Presley ist eng mit der heute 100-jährigen Glitzerstadt Las Vegas verknüpft. In Vegas wurde Elvis zum "King". Doch das Spielerparadies wurde für den Star zur Hölle: Am Ende war der König Knecht - von Drogen, einem korrupten Management und seinem eigenen Mythos.
Es gab eine Zeit, da hasste der Sänger aus Memphis das Zockerparadies in der Mojave-Wüste und schwor sich, dort nie wieder aufzutreten. Die Stadt verhalf ihm zum Titel The King, und am Ende seiner Zeit hatte Elvis Presley etwa 600 Konzerte in Las Vegas gegeben. Das war Rekord - auch die Selbstmordquote in der Glitzermetropole war immer rekordverdächtig.
Im Sommer 1969 passten Elvis und Las Vegas endlich zusammen, schon rein äußerlich, perfekt wie König Ludwig II. und Schloss Neuschwanstein. Es gab auch tiefer liegende Beziehungen zwischen dem King und der Stadt, in der kein Künstler jemals so groß war, wie es den Anschein hatte. Sie waren gut beschützte Geldmaschinen, wobei man in Elvis' Fall weiß, dass nicht er selbst die Maschine beherrschte, sondern sein Manager "Colonel" Tom Parker. Das Graceland-Domizil in Memphis war Elvis' Heimat seit den alten Rock'n'Roll-Tagen. Als es auch eine Art Gefängnis geworden war, wurde Las Vegas und dann speziell das International Hotel zum bevorzugten Fluchtpunkt.
Die Schicksals-Show
Als Elvis am 31. Juli 1969 die Bühne des neu eröffneten International-Hotels betrat, hatte Neil Armstrong wenige Tage zuvor den Mond erobert; Charles Manson wusste bereits, dass seine Jünger Sharon Tate ermorden würden, aber Elvis wusste nicht, ob seine Karriere nicht doch vielleicht am Ende war. Er war nicht der King - er war ein Held aus der Zeit vor den Beatles und hatte seit fast zehn Jahren kein richtiges Konzert mehr gegeben. "Seine Hand war feucht, und er war sehr nervös", sagte der Komiker Sammy Shore, der die Show eröffnete und ihm vor seinem Auftritt begegnete.
Presley im Hollywood-Film "Viva Las Vegas": Publicity für die Glitzerstadt
1969 zeichneten sich die Umbrüche in der Pop-Kultur auch in Las Vegas ab. Ihr Ruf als Entertainment-Hauptstadt der Welt war angekratzt. Die Zeit der Vegas-Symbole Dean Martin und Frank Sinatra ging zu Ende - eine Folge des unaufhaltsamen Erfolgs der Gegen-Kultur von "Easy Rider" bis Jimi Hendrix. Die Hotel-Casinos brauchten mehr Publicity, die Geldmaschine mehr Futter, und wenn es mit diesen nicht ganz dichten Rock- und Hippie-Vögeln klappte, dann war man eben aufgeschlossen. Würden die ihren Vietnam-Mist und Black-Power-Dreck mitbringen? Außerhalb der Showrooms sollten diese Blümchenfresser damit lieber vorsichtig sein.
Nicht kleckern, klotzen
Das International eröffnete seine beiden kleineren Showrooms mit Ike & Tina Turner und dem Musical "Hair", seinen dritten und mit über 2000 Sitzplätzen größten Showroom der Stadt mit Barbra Streisand. Elvis habe auf ihrer Liste ebenfalls ganz oben gestanden, sei ihnen dann aber doch zu unsicher gewesen, erklärte später ein Manager. Elvis' Impresario, "Colonel" Parker, hatte eine andere Erklärung: Kein Premieren-Auftritt in so einem Saal - sollte doch die Streisand vorgehen und die Stimmung und Technik testen.
Elvis-Manager "Colonel" Tom Parker: 125.000 Dollar pro Woche
Das Bühnen-Comeback war gebucht, 29 Tage, die üblichen zwei Shows pro Abend. Über 30 zunehmend dämliche Filme hatten Elvis fertig gemacht, jetzt aber blühte er auf, denn er konnte endlich wieder als Musiker auftreten. Für das TV-Special "Elvis" wurde eine Konzert-Situation inszeniert, mit kleiner Bühne und Band. Die Sendung hatte nicht nur höchste Einschaltquoten, sondern Elvis "machte die beste Musik seines Lebens", wie der Pop-Forscher Greil Marcus schreibt.
In dieser euphorischen Stimmung wollte er seine zweite Chance als Live-Entertainer nutzen. Er war unsicher und beobachtete die anderen, um die besten modernen Show-Elemente für sich zu finden. Barbra Streisands International-Premiere zeigte, dass es nicht ausreichte, gut zu sein, um diesen riesigen Raum, in dem die Leute an Tischen saßen, zu begeistern. Und deshalb standen auf der Bühne, als es am letzten Julitag ernst wurde, 50 Leute, ein komplettes Show-Orchester, eine Rock-Band, ein männlicher und ein weiblicher Background-Chor. Damit würde er sie umhauen, diesmal musste es klappen.
Das Konzert war ein Triumph. Elvis überwältigte Presse, Publikum und diejenigen, die hier etwas zu sagen hatten. Schon in derselben Nacht bekam der Colonel einen Fünf-Jahres-Vertrag angeboten. Für acht Wochen pro Jahr bei zwei Shows pro Abend gab es 125.000 Dolar pro Woche plus beste Suiten und vollen Service für den Colonel, Elvis und die Jungs seiner Schutz- und Freizeit-Truppe "Memphis Mafia".
Es war die Mischung aus Mode und Nostalgie, die ankam. Der neue Elvis hatte wie der alte nicht nur Charisma, sondern ein besonderes Gespür für den raffinierten Mix. Der Musik-Bombast war eine moderne Kombination aus James Brown, Tom Jones und Tony Joe White. Und in dieser Soul-Orchester-Rock-Riesentorte mit dem neuen Hit "Suspicious Minds" steckten auch genug Evergreens. "Blue Suede Shoes" in derartiger Besetzung klingt ähnlich interessant wie von einer Blaskapelle auf dem Oktoberfest eingespielt, aber speziell diese aufgedonnerte Nostalgie überzeugte ein neues Vegas-Publikum: Die Teenager von '55 waren jetzt hier und begeistert, den Held ihrer Jugend zu treffen.
Der King als Knecht
Elvis war nicht nur der erste Rock'n'Roller, der die Stadt eroberte, sondern, so die Legende, auch der erste Entertainer, mit dem ein Hotel-Casino Profit machte. Angeblich war das Defizit der Shows einkalkuliert, sie sollten nur Spieler anlocken und halten. Bis zuletzt waren Elvis' Vorstellungen ausverkauft, doch die glückliche Zeit in Las Vegas war kurz.
Nach dem in allen Medien gefeierten Bühnen-Comeback verlegte sich der Colonel wieder auf die Organisation von langen Tourneen durch den Rest der USA. Diesen Anstrengungen hielt der neue Elan des Sängers nicht lange stand. Auch die Shows in Las Vegas waren ab 1971 Routine - und Schwerstarbeit. Nahm der King deshalb verbotene Substanzen? Nein, Elvis nahm keine Drogen, Drogen waren für ihn Heroin und anderer Dreck. Schließlich hatte er sich als freier Mitarbeiter der FBI-Drogenabteilung beworben und war von Präsident Nixon persönlich aufgenommen worden. Nein, er nahm nur etwas gegen Unpässlichkeiten, Speed und Beruhigungsmittel.
Presley bei Dreharbeiten zur Paramount-Produktion "Fun in Acapulco": 30 zunehmend dämliche Filme
Warum wurden die Arbeitsbedingungen dann nicht erleichtert? Eine Antwort findet sich in Nick Tosches' Dean Martin-Biographie "Dino". 1972 bestand Martin darauf, nur noch eine Vorstellung pro Abend zu geben, aber "allein schon der Gedanke war ein Sakrileg", und Dino bekam als Antwort: "Du weißt, wer in dieser Stadt die Fäden in der Hand hält (...). So kannst du mit diesen Leuten nicht umspringen".
Es gab noch einen anderen Grund, warum Tom Parker dieses harte Vegas-Programm so lange wie möglich beibehielt. Der "Colonel" spielte gern. Er war ein High Roller, einer, der Höchstbeträge setzte. Parker hatte im International oder im Hilton Las Vegas, wie es später hieß, angeblich unbegrenzten Kredit. Und solange Elvis im Hilton mitspielte, war die Bank, die immer gewinnt, des Colonels guter Freund.
Eine Masse Probleme
"Die Vegas-Show entwickelte sich zu einer derartigen Parodie, dass es schwer ist, sie heute noch ernst zu nehmen", schreibt Mike Weatherford in "Cult Vegas". Symbolisch hierfür waren das berühmte "Zarathustra'-Thema, das aus dem Kubrick-Film "2001 - A Space Odyssey" zum Show-Auftakt für den King mutierte, und Elvis' zunehmend voluminöse Gestalt, die er nicht würdevoll, sondern als quälende Last präsentierte.
Las Vegas war vielleicht der ideale Ort, um aus der Welt auszusteigen, bei vollem Service, umgeben von einer Truppe Diener. Doch die Probleme kamen mit auf die Bühne. Am Ende drohte ein komplett bedröhnter Elvis, Ehrenmitglied diverser Polizei-Departements, bei einem Konzert minutenlang, jeden zu töten, der Gerüchte über seine Drogensucht in Umlauf brachte.
Die Paare, die heute das Angebot der zahllosen Heirats-Unternehmen in Sin City nutzen und sich mit einer Elvis-Zeremonie das Ja-Wort geben, denken natürlich an die guten Tage. Die waren allerdings längst vorbei, als der Sänger, der die Welt stärker veränderte als jeder andere, im Dezember 1976 seinen Job hinter sich brachte. Eine längere Erholungspause war unvermeidlich, dann wollte man weitersehen. Am 16. August 1977 wurde vor dem Las Vegas Hilton die Flagge auf Halbmast gehängt. Der King war tot.
Und in jenem Monat, in dem selbst die härtestesten Burschen den lieben Gott um etwas Regen für Las Vegas bitten, ging kurz nach Mitternacht ein stundenlanger, verheerender Wolkenbruch über der Stadt nieder. Man spricht gern von Tränen für Elvis - und nicht von Krach, als würden tausend Einarmige Banditen ihre Ladung ausspucken.