Aber wahrscheinlicher ist doch das arrive/s, anstatt I ride, dann passt der Rest auch.
Smalltalk zu Songtexten und Übersetzungen
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Das ist ein wichtiges Thema.
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Es gibt eine gute Geschichte über den Song "Mystery Train" von Greil Marcus aus dem gleichnamigen Buch.
Songwriter sind Sam Phillips und Junior Parker, aus dem Jahr 1953.
Ich finde sie äußerst spannend und das vermutet man gar nicht hinter den wenigen Textzeilen...
"Mystery Train ist ein langsamer, düsterer Blues, gespielt von Little Junior's Blue Flames. Ein eigenartig abgehackter Beat vermittelte die Bedrohung, die im Titel lag, ein Sax brachte den unvermeidlichen Sound eines Zuges mit einem ungewöhnlich schicksalsschweren Flair zustande.
Und Parker sang mit ziemlicher Grabesstimme, während er seine Geliebte durch die Finsternis verfolgte und den Hauch einer Andeutung machte, dass sie von einem Geist gekidnappt worden sei. Man hatte das Gefühl, im falschen Moment am falschen Ort zu sein, die Ahnung eines Fluches.
Vielleicht fahren sie im selben Zug - irgendwie fährt er vor sich selbst davon. Um die Sonderbarkeit dieser Zeilen zu verstehen, muss man zurück zu" Worried Man Blues" von der Carter Family gehen, ca. 20 Jahre früher. Es handelte sich um einen Folksong, der zwischen den Rassen hin und her gereicht wurde und der in Wirklichkeit aus einer Zeit stammt, an die sich keiner mehr erinnern konnte.
"Worried Man" ist die Geschichte eines Mannes, der sich am Ufer eines Flusses zum Schlafen legt und in Ketten geschlagen ist, als er wieder aufwacht. Die Carters sagen einem nicht, ob der Mann schwarz oder weiß ist, ob er jemanden umgebracht oder ein Pferd gestohlen hat und der Mann weiß es auch nicht.
Es liegt keinerlei Protest in dem Song, keine Revolte, sondern lediglich eine absolute beinahe übernatürliche Einsamkeit: eine Bestürzung, die um so beängstiger wirkt, als sie besonders selbstzerstörerisch und nüchtern ist. Der Sound eines Mannes, der seine Geschichte wer weiß wie oft erzählt hat und der hofft, dass ein weiteres Mal ihm endlich inneren Frieden geben wird. Er fährt in einem Zug nach Nirgendwo
The train I ride is sixteen coaches long
The train I ride is sixteen coaches long
The Girl I love is on that train and gone
Das gibt, wie auch der Rest des Songs, keinen Sinn, es definiert ganz einfach die Welt des Sängers, aus der es keinen Ausweg gibt außer dem Tod. Der, wie der Mann versichert, ihn eines Tages von seinem Song erlösen wird. Wenn Parker dann singt, dass sein Mädchen nach Hause kommen, dass der Zug sie ganz gewiss zurückbringen wird, mag man ihm glauben. Es klingt, als wenn er bereits mehr verloren habe, als irgend jemand ihm zurückbringen könne.
[ame="http://www.youtube.com/watch?v=cfQ4N_jYUUg&feature=related"]Little Junior Parker -- Mystery Train - YouTube[/ame]
Über Elvis' Song sagt er:
Es liegt eine enorme Gewalt in der Aufnahme: "Train I ride" singt Elvis, doch es klingt, als würde er ihn in Grund und Boden jagen "It took my baby" hatte Parker gejammert (und er führte uns damit zurück in jene Zeiten, als eine schwarze Lokomotive das Symbol für eine Gewalt war, der niemand widerstehen konnte, Symbol für das Schcksal auf Rädern) "It's gone do it again", "Well", erklärt Elvis, "it took my baby - but it never will again no, not again."
Seine Rhythmusgitarre bemächtigt sich der Musik, forciert die Tempowechsel, Scotty Moore bleibt, wie immer an Elvis' Leidenschaft dran. Moore bietet uns ein hartes Solo, das den Song zwischen dem, was er immer gewesen ist und dem was Elvis aus ihm macht, zu hängen scheint. Dann ist Elvis wieder da und er dreht den Zug um. Indem er mit dem Mädchen, das er aus jenem mysterösen Zug entführt hat, eilig in die Nacht entschwindet. "Woo, woo Woooo", ruft er voller Freude, er lacht laut auf - und weg ist er.Zuletzt geändert von Gilla; 30.10.2011, 20:10*The genius of Elvis Presley was in his music, but the magic was in his voice*
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Danke, großartig!
Und ich dachte schon, ich wäre zu blöd, einen vermeintlich simplen Text zu verstehen. Somit waren meine Bedenken ja berechtigt und das Ganze ergibt tatsächlich keinen richtigen Sinn. Sehr geil!Ahnungslosigkeit ist die Objektivität der schlichten Gemüter - Harald Schmidt
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Ich muss es nochmal in aller Deutlichkeit sagen: Ich bin total begeistert von Gillas Posting.
Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie oft ich mir schon über diesen Text Gedanken gemacht habe (und wie oft ich die besagte Stelle nachgehört habe), ohne zu irgendeinem brauchbaren Ergebnis gekommen zu sein. Und weil ich die ganze Zeit befürchtete, ich sei einfach zu dämlich das zu kapieren, habe ich mich auch nicht getraut nachzufragen. Aber heute musste es raus. Gott sei Dank! Eine Qual weniger, die sich bei jedem Anhören des Songs in mir breit machte.Ahnungslosigkeit ist die Objektivität der schlichten Gemüter - Harald Schmidt
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Ja, das ist auch interessant und irgendwie auch spannend, aber ich hör mir hier einen Wolf. Ich bin nicht überzeugt, dass El "I Ride" singt, oder ich will es einfach anders hören.
If tears build a stairway
and memories a lane.
I`d walk right up to heaven
and bring you home again.
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Nun, ich war mir ja auch nie wirklich 100%ig sicher, was aber eher daher rührte, dass es für mich im Kontext keinen Sinn ergab, auch wenn ich es so (I ride) gehört habe. Auf das "arrive(s/d)" wäre ich nie gekommen, aber nachdem Du das vorhin schriebst, habe ich irgendwann auch schon angefangen, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Sowas macht einen (mich zumindest) ganz verrückt.
Es ist wirklich nicht sehr gut auszumachen, aber ich finde z.B., dass man das "I" ziemlich gut hört. Das kurze "a" von "arrive" würde sich auch anders anhören. Zudem ist ein F-Laut (das "v" von "arrive") markanter, als ein "d", weil er im vorderen Mundbereich gebildet wird und man ihn für ein "v" fast schließen muss. Ein "d" entsteht eher mittig im Mund, weswegen man es auch leichter verschlucken bzw. wegnuscheln kann, wie Elvis es hier auch teilweise macht.
Hör die mal die Version der FTD "Closing Night" an! Ich finde, da wird es noch am deutlichsten. Da zieht er auch das Wort nicht so lang, so dass man das "I ride" wirklich hören kann.
Aber Du hast schon Recht, manchmal redet man sich auch Dinge ein, wenn man nur ordentlich überzeugt davon ist. Das hier ist wirklich ein schwieriger Fall und das ausgerechnet bei einem Song, der ansonsten textlich so simpel gestrickt ist. Ich kann gut verstehen, wenn man dem Frieden nicht traut.Ahnungslosigkeit ist die Objektivität der schlichten Gemüter - Harald Schmidt
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Als er es zum zweiten mal singt, meine ich deutlich arrive zu hören, aber das hatten wir ja grad schon.
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So, jetzt habe ich den Song doch nachhören können.
Ich werd' verrückt, das ist wirklich das deutlichste "I ride", was ich bisher gehört habe.
Kein Witz! Also jetzt habe ich absolut keine Zweifel mehr, dass es "ride" heißt. Das gibt's doch nicht. Und Du hörst da "arrive"? Unvorstellbar!Ahnungslosigkeit ist die Objektivität der schlichten Gemüter - Harald Schmidt
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