Elvis und Ann-Margret
Aus Graceland Nr. 146/147 von Christian Fröhlich
Hollywood im Juli 1963. Bei MGM finden die Dreharbeiten für einen weiteren Elvis-Revue-Film statt. Das Handlungsmuster für einen Elvis-Film hat sich seit den großen Erfolgen von "Blue Hawaii" und "G.I. Blues" etabliert.
Ein junger Mann muss ein Rennen gewinnen (wahlweise Pferde, Boote oder Autos), den Respekt seines Vaters (wieder)-erlangen und dabei die Liebe eines Mädchens gewinnen. Außerdem muss noch genügend Platz bleiben für neue Elvis-Songs. Sowohl die Filme als auch die Soundtrack-Alben verkaufen sich prächtig. Die Mitarbeiter am Set kennen die Prozedur. Kaum einer verfolgt mit Spannung die eigentlichen Dreharbeiten.
Für den heutigen Dreh ist die Crew in die Universität von Nevada umgezogen. Geplant ist eine Tanzszene mit Elvis und seiner Filmpartnerin Ann-Margret. Zunächst erleben wir, wie Ann-Margret eine feurige Choreographie mit einigen Studenten tanzt. Sie wirbelt über die Bühne, die Bewegungen sind kraftvoll, aber auch rund und fließend. Die Filmgazetten sehen in ihr den weiblichen Elvis.
Elvis selbst erscheint nun in der Szene. Er möchte Rusty (so der Name des Ann-Margret-Charakters im Film) zu einem Ausflug abholen. Als sie ihn sieht, stürmt sie erfreut auf ihn zu. Sie will ihn zum Tanzen auf die Bühne ziehen, er will mit ihr fort. Rusty erinnert Lucky (Elvis) an sein Versprechen zu tanzen. Als dieser sich sträubt, bittet sie ihn, wenigstens zu singen. Unter der Bedingung, dass beide anschließend aufbrechen, betritt er die Bühne. Die Band stimmt auf Elvis' Zeichen "C'mon Everybody" an. Elvis tanzt leichtfüßig, es ist innere Spannung spürbar, und doch wirkt er vollkommen entspannt. Er animiert Rusty und die Tanzschüler, in den Song einzustimmen. Für das Finale hilft er Rusty schwungvoll auf die Bühne, denn schon vom Parkett aus konnten wir beobachten, dass sie kaum zu halten ist. Ihre rötlichen Haare stehen in Flammen, und ihre leuchtend grünen Augen blitzen, während sie mühelos seine Schritte und seine Intensität doppelt. Als beide die breite Bühne in Besitz nehmen, ist es, als sei es nie anders gewesen. Die beiden bannen die Zuschauer am Drehort. Sie bestaunen das Paar, das dort mit einer Leichtigkeit eine Verbundenheit und Nähe ausstrahlt, als seien sie zusammen auf einer Bühne geboren worden. Niemand auf dem Set ist unberührt. Vielleicht überkommt manchen eine tiefe Sehnsucht. Als die Szene abgefilmt ist, brandet Applaus auf. Eine absolute Seltenheit am Drehort eines Elvis-Films.
Die Funken, die zwischen Ann-Margret und Elvis flogen, hatten nur am Rande etwas mit Schauspielkunst zu tun. Die Beigeisterung füreiander war dem wahren Leben entlehnt. In sämtlichen Biografien um Elvis wurde die Beziehung zu Ann-Margret als Affäre, bestenfalls als länger dauernde Romanze beschrieben.
Ann-Margret widmet in ihrer Autobiografie "My Story" der von ihr zitierten Seelenverwandschaft wesentlich mehr Raum. Elvis bereut später bei verschiedenen Gelegenheiten, dass er Ann-Margret nicht geheiratet hat. Warum ist diese Liebe der beiden gescheitert?
In vielen Bereichen seines Lebens war Elvis unfrei. Letzlich verhinderten vielerlei Zwänge, dass Elvis zu sich selbst fand. Als Ann-Margret in sein Leben trat, erfuhr er eine Liebe, die er schwer deuten konnte: zu einem großen Teil allein schon deshalb, weil er von seinem Selbst nur ein vages Wissen hatte. Er verstand nicht, warum gerade Ann-Margret seine gewohnten Lebensbahnen so sehr ins Wanken gebracht hatte. Zu dem Zeitpunkt, als er sie kennenlernte, hatte er kurzlebige, oberflächliche und zahlreiche Beziehungen zu Frauen, die er leicht kontrollieren konnte. Er war ein junger Mann auf der Höhe seiner sexuellen Potenz, und er genoss das Leben eines reichen gutaussehenden Filmstars, der aus einem Überangebot an Mädchen schöpfen konnte. Es war ihm gelungen, in all seinen Beziehungen die Oberhand zu behalten. Bei keiner hatte er seinen Kopf verloren. Doch diese Ann-Margret schien ihm ebenbürtig, und sie hatte ihm genauso den Kopf verdreht wie er ihr. Wer also nun ist diese Ann-Margret?
"Gott mutet Dir nie mehr zu, als Du bewerkstelligen kannst." (Familienmotto der Olsson's)
Am 28. April 1941 wurde Ann-Margret Olsson als einziges Kind von Gustav und Anna Olsson in Valsjobyn, Schweden, geboren. Sie verbrachte die ersten sechs Jahre ihres Lebens in Schweden. Der Vater war 41, als er Ann's Mutter, die damals 21jährige Anna Aronsson heiratete. Gustav Olsson ging kurze Zeit nach der Heirat und der Geburt seiner Tochter zurück nach Chicago. Er war dort als Elektriker tätig. Für ihn war es selbstverständlich, dass Frau und Kind folgen würden. Anna konnte sich nicht vorstellen, in den USA zu leben. Schon ein Umzug vom heimischen Valsjobyn nach Stockholm hatte ihr große Schwierigkeiten bereitet. Gustav Olsson ließ seiner Frau keine Wahl. Er bestand darauf, dass die Familie in den USA leben sollte. Es folgten heftige Auseinandersetzungen per Brief. Als der Vater schließlich mit Scheidung drohte, gab die Mutter nach. Ann-Margret lernte von ihrer Mutter, dass eine Frau zu ihrem Mann gehört, und dass Gott einem nie mehr auferlegt, als man bewältigen kann. Und so begaben sich Mutter und Kind brav auf die lange Überfahrt nach Amerika. Ann hatte sich ihren Vater oft vorgestellt, hatte sich ihr eigenes Fantasiebild von ihrem Vater zurechtgelegt und löcherte ihre Mutter mit Fragen über ihn. Der Vater empfing die beiden in der Fremde in einer fremden Sprache. Er sprach fließend Englisch, wohl um deutlich zu machen, dass es gelte, sich so schnell wie möglich den Sitten der neuen Heimat anzupassen.
Zunächst war er etwas verwundert, dass seine kleine Tochter so wenig sprach, aber das schüchterne Mädchen war zum einem damit beschäftigt, mit der Flut der neuen Eindrücke zurecht zu kommen; auf der anderen Seite genoss sie die Zusammenkunft der Eltern und wollte den Moment nicht verderben. Die Mutter war allein aus einem Pflichtgefühl mit ihrer Tochter dem Manne gefolgt, und so lässt sich leicht ein Bild vorstellen von einer Familie, die etwas befremdet in einem amerikanischen Restaurant ihr Mahl einnimmt. Die Blicke des kleinen Mädchens, deren Füße den Boden noch nicht berühren, schweifen immer wieder zwischen Vater und Mutter hin und her, haften aber vor allem auf dem fremden gutaussehenden Mann, der ihr als Vater vorgestellt worden war. Als der Vater seine Familie am selben Abend in die Radio City Hall ausführte, erlebte die kleine Ann ihren ersten Kontakt zur Welt des Showbusiness. Es sollte der Beginn einer lebenslangen Zuneigung werden. 1992 sollte sie dort eine Show geben, die zu den aufwendigsten zählt, die auf dieser legendären Bühne jemals zu sehen waren.
Aber als die kleine 5jährige Ann aus Schweden auf dem Dampfer "Grispsholm" nach Amerika angekommen war, war sie ein schüchternes Mädchen. Sie bemühte sich zaghaft, vor Menschen aufzutreten, wobei sie von ihrer Mutter nach Kräften unterstützt wurde. Sie nähte unter anderem ihre Kostüme und finanzierte vom kargen Familieneinkommen Tanzstunden. Die Mutter musste einige Zeit beinahe ganz alleine für den Unterhalt der Familie aufkommen. Der Vater hatte einen schweren Arbeitsunfall erlitten. Er war zwei Stockwerke gestürzt und auf dem harten Asphalt aufgeschlagen. Schwer verletzt, mit dem Becken an vier Stellen gebrochen, war der Vater für mehrere Monate arbeitsunfähig. Die Mutter besserte das Familieneinkommen auf, indem sie eine Stelle in einem Beerdigungsinstitut annahm. Dort konnte die Familie kostenfrei wohnen, doch die kleine Ann musste oft bis spät in die Nacht warten, bis alle Trauernden gegangen waren, bevor die Couch frei wurde, auf der sie schließlich schlief. Der Ortswechsel brachte außerdem einen Schulwechsel mit sich. In Wilmette fiel ihre schöne Stimme auf, und Ann träumte zum ersten Mal konkret von einer Zukunft als Entertainerin.
Aus Graceland Nr. 146/147 von Christian Fröhlich
Hollywood im Juli 1963. Bei MGM finden die Dreharbeiten für einen weiteren Elvis-Revue-Film statt. Das Handlungsmuster für einen Elvis-Film hat sich seit den großen Erfolgen von "Blue Hawaii" und "G.I. Blues" etabliert.
Ein junger Mann muss ein Rennen gewinnen (wahlweise Pferde, Boote oder Autos), den Respekt seines Vaters (wieder)-erlangen und dabei die Liebe eines Mädchens gewinnen. Außerdem muss noch genügend Platz bleiben für neue Elvis-Songs. Sowohl die Filme als auch die Soundtrack-Alben verkaufen sich prächtig. Die Mitarbeiter am Set kennen die Prozedur. Kaum einer verfolgt mit Spannung die eigentlichen Dreharbeiten.
Für den heutigen Dreh ist die Crew in die Universität von Nevada umgezogen. Geplant ist eine Tanzszene mit Elvis und seiner Filmpartnerin Ann-Margret. Zunächst erleben wir, wie Ann-Margret eine feurige Choreographie mit einigen Studenten tanzt. Sie wirbelt über die Bühne, die Bewegungen sind kraftvoll, aber auch rund und fließend. Die Filmgazetten sehen in ihr den weiblichen Elvis.
Elvis selbst erscheint nun in der Szene. Er möchte Rusty (so der Name des Ann-Margret-Charakters im Film) zu einem Ausflug abholen. Als sie ihn sieht, stürmt sie erfreut auf ihn zu. Sie will ihn zum Tanzen auf die Bühne ziehen, er will mit ihr fort. Rusty erinnert Lucky (Elvis) an sein Versprechen zu tanzen. Als dieser sich sträubt, bittet sie ihn, wenigstens zu singen. Unter der Bedingung, dass beide anschließend aufbrechen, betritt er die Bühne. Die Band stimmt auf Elvis' Zeichen "C'mon Everybody" an. Elvis tanzt leichtfüßig, es ist innere Spannung spürbar, und doch wirkt er vollkommen entspannt. Er animiert Rusty und die Tanzschüler, in den Song einzustimmen. Für das Finale hilft er Rusty schwungvoll auf die Bühne, denn schon vom Parkett aus konnten wir beobachten, dass sie kaum zu halten ist. Ihre rötlichen Haare stehen in Flammen, und ihre leuchtend grünen Augen blitzen, während sie mühelos seine Schritte und seine Intensität doppelt. Als beide die breite Bühne in Besitz nehmen, ist es, als sei es nie anders gewesen. Die beiden bannen die Zuschauer am Drehort. Sie bestaunen das Paar, das dort mit einer Leichtigkeit eine Verbundenheit und Nähe ausstrahlt, als seien sie zusammen auf einer Bühne geboren worden. Niemand auf dem Set ist unberührt. Vielleicht überkommt manchen eine tiefe Sehnsucht. Als die Szene abgefilmt ist, brandet Applaus auf. Eine absolute Seltenheit am Drehort eines Elvis-Films.
Die Funken, die zwischen Ann-Margret und Elvis flogen, hatten nur am Rande etwas mit Schauspielkunst zu tun. Die Beigeisterung füreiander war dem wahren Leben entlehnt. In sämtlichen Biografien um Elvis wurde die Beziehung zu Ann-Margret als Affäre, bestenfalls als länger dauernde Romanze beschrieben.
Ann-Margret widmet in ihrer Autobiografie "My Story" der von ihr zitierten Seelenverwandschaft wesentlich mehr Raum. Elvis bereut später bei verschiedenen Gelegenheiten, dass er Ann-Margret nicht geheiratet hat. Warum ist diese Liebe der beiden gescheitert?
In vielen Bereichen seines Lebens war Elvis unfrei. Letzlich verhinderten vielerlei Zwänge, dass Elvis zu sich selbst fand. Als Ann-Margret in sein Leben trat, erfuhr er eine Liebe, die er schwer deuten konnte: zu einem großen Teil allein schon deshalb, weil er von seinem Selbst nur ein vages Wissen hatte. Er verstand nicht, warum gerade Ann-Margret seine gewohnten Lebensbahnen so sehr ins Wanken gebracht hatte. Zu dem Zeitpunkt, als er sie kennenlernte, hatte er kurzlebige, oberflächliche und zahlreiche Beziehungen zu Frauen, die er leicht kontrollieren konnte. Er war ein junger Mann auf der Höhe seiner sexuellen Potenz, und er genoss das Leben eines reichen gutaussehenden Filmstars, der aus einem Überangebot an Mädchen schöpfen konnte. Es war ihm gelungen, in all seinen Beziehungen die Oberhand zu behalten. Bei keiner hatte er seinen Kopf verloren. Doch diese Ann-Margret schien ihm ebenbürtig, und sie hatte ihm genauso den Kopf verdreht wie er ihr. Wer also nun ist diese Ann-Margret?
"Gott mutet Dir nie mehr zu, als Du bewerkstelligen kannst." (Familienmotto der Olsson's)
Am 28. April 1941 wurde Ann-Margret Olsson als einziges Kind von Gustav und Anna Olsson in Valsjobyn, Schweden, geboren. Sie verbrachte die ersten sechs Jahre ihres Lebens in Schweden. Der Vater war 41, als er Ann's Mutter, die damals 21jährige Anna Aronsson heiratete. Gustav Olsson ging kurze Zeit nach der Heirat und der Geburt seiner Tochter zurück nach Chicago. Er war dort als Elektriker tätig. Für ihn war es selbstverständlich, dass Frau und Kind folgen würden. Anna konnte sich nicht vorstellen, in den USA zu leben. Schon ein Umzug vom heimischen Valsjobyn nach Stockholm hatte ihr große Schwierigkeiten bereitet. Gustav Olsson ließ seiner Frau keine Wahl. Er bestand darauf, dass die Familie in den USA leben sollte. Es folgten heftige Auseinandersetzungen per Brief. Als der Vater schließlich mit Scheidung drohte, gab die Mutter nach. Ann-Margret lernte von ihrer Mutter, dass eine Frau zu ihrem Mann gehört, und dass Gott einem nie mehr auferlegt, als man bewältigen kann. Und so begaben sich Mutter und Kind brav auf die lange Überfahrt nach Amerika. Ann hatte sich ihren Vater oft vorgestellt, hatte sich ihr eigenes Fantasiebild von ihrem Vater zurechtgelegt und löcherte ihre Mutter mit Fragen über ihn. Der Vater empfing die beiden in der Fremde in einer fremden Sprache. Er sprach fließend Englisch, wohl um deutlich zu machen, dass es gelte, sich so schnell wie möglich den Sitten der neuen Heimat anzupassen.
Zunächst war er etwas verwundert, dass seine kleine Tochter so wenig sprach, aber das schüchterne Mädchen war zum einem damit beschäftigt, mit der Flut der neuen Eindrücke zurecht zu kommen; auf der anderen Seite genoss sie die Zusammenkunft der Eltern und wollte den Moment nicht verderben. Die Mutter war allein aus einem Pflichtgefühl mit ihrer Tochter dem Manne gefolgt, und so lässt sich leicht ein Bild vorstellen von einer Familie, die etwas befremdet in einem amerikanischen Restaurant ihr Mahl einnimmt. Die Blicke des kleinen Mädchens, deren Füße den Boden noch nicht berühren, schweifen immer wieder zwischen Vater und Mutter hin und her, haften aber vor allem auf dem fremden gutaussehenden Mann, der ihr als Vater vorgestellt worden war. Als der Vater seine Familie am selben Abend in die Radio City Hall ausführte, erlebte die kleine Ann ihren ersten Kontakt zur Welt des Showbusiness. Es sollte der Beginn einer lebenslangen Zuneigung werden. 1992 sollte sie dort eine Show geben, die zu den aufwendigsten zählt, die auf dieser legendären Bühne jemals zu sehen waren.
Aber als die kleine 5jährige Ann aus Schweden auf dem Dampfer "Grispsholm" nach Amerika angekommen war, war sie ein schüchternes Mädchen. Sie bemühte sich zaghaft, vor Menschen aufzutreten, wobei sie von ihrer Mutter nach Kräften unterstützt wurde. Sie nähte unter anderem ihre Kostüme und finanzierte vom kargen Familieneinkommen Tanzstunden. Die Mutter musste einige Zeit beinahe ganz alleine für den Unterhalt der Familie aufkommen. Der Vater hatte einen schweren Arbeitsunfall erlitten. Er war zwei Stockwerke gestürzt und auf dem harten Asphalt aufgeschlagen. Schwer verletzt, mit dem Becken an vier Stellen gebrochen, war der Vater für mehrere Monate arbeitsunfähig. Die Mutter besserte das Familieneinkommen auf, indem sie eine Stelle in einem Beerdigungsinstitut annahm. Dort konnte die Familie kostenfrei wohnen, doch die kleine Ann musste oft bis spät in die Nacht warten, bis alle Trauernden gegangen waren, bevor die Couch frei wurde, auf der sie schließlich schlief. Der Ortswechsel brachte außerdem einen Schulwechsel mit sich. In Wilmette fiel ihre schöne Stimme auf, und Ann träumte zum ersten Mal konkret von einer Zukunft als Entertainerin.
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