CARNATION & PET MILK
Der vorliegende Artikel erschien erstmals im November 1995 in BIB Nr. 12. Zum Artikel gehörten sechs zur Anekdote passende Bilder - bestellen Sie BIB #12, um Elvis 1965 auf Hawaii zu sehen. Der Text des Artikels selbst ist - wie alle anderen Artikel - ungekürzt. Die nachfolgenden Erinnerungen an die Dreharbeiten zu Paradise, Hawaiian Style sollten allen Fans die Augen schimmern lassen und die Herzen erwärmen. Superstar Elvis, wie ihn nur wenige gekannt haben! Wahrhaft paradiesische Erinnerungen....
Von Sue Wiegert (Übersetzt & bearbeitet von Peter Schittler)
Sue Wiegert gehört zweifellos zu den Fans, die die meisten von uns endlos beneiden: Seit Mitte der 60er Jahre entwickelte sich bei vielen persönlichen Treffen eine Beziehung zu Elvis, wie sie wahrscheinlich nur die wenigsten Menschen, die sich nicht zu seinem unmittelbaren reundeskreis zählten, aufbauen konnten. Im Sommer vor 30 Jahren drehte Elvis Paradise, Hawaiian Style auf Hawaii und genau dorthin wollen wir blenden - Sue Wiegert erzählt uns ihre Eindrücke von damals, ergänzt um die Fotos von Millie De Palmer's Tochter, die damals ebenfalls anwesend war.
Elvis kam im August 1965 auf Hawaii an und brachte eine Erkältung mit. Obwohl er in den frühen Morgenstunden ohne irgendeine vorherige Verständigung der lokalen Fans eingetroffen war, verbreitete sich rasch die Kunde, daß er im 24. Stock des Ilikai Hotel residierte, daß seine Türe von Sicherheitsleuten bewacht war und er keinen Schritt außerhalb seines Zimmers ohne Polizeieskorte tat. Der erste Drehort war bei der Hanauma Bay, wo schon für Blue Hawaii gefilmt worden war. Den Fans war es nicht gestattet, ihm auch nur im entferntesten nahe zu kommen und genauso geschah es auch. Wir sahen nicht einmal seine Nasenspitze, obwohl uns selbst das schon gefreut hätte. Millie De Palmer's Tochter hatte mehr Glück. Sie arbeitete in einem Restaurant am Flughafen. Kurz nach Elvis' Ankunft läutete das Telefon und jemand bestellte Verpflegung für eine ganze Menge Leute - und ob man das alles zu Elvis an den Drehort zustellen konnte! Natürlich konnte man! Alle Angestellten, die mitkommen wollten, waren herzlich dazu eingeladen, sodaß schlußendlich das Restaurant für ein paar Stunden zugesperrt wurde. Obwohl der Drehort nicht gerade nahegelegen war, handelte es sich um die schnellste jemals in diesem Restaurant erledigte Bestellung. Millie's Tochter war natürlich auch dabei und nahm in überschwenglicher Freude einige Schnappschüsse auf. Sie durfte sich während der gesamten Lunchpause dort aufhalten und wurde Elvis auch vorgestellt, der ein paar freundliche Worte an sie richtete.
Der nächste Schauplatz war nahe Chinaman's Hat, eine Ranch im Privatbesitz. Ein Fan hatte es tolldreist gewagt, mit ihrem Pferd direkt bis zu Elvis am Strand zu reiten und sie erzählte, wie toll er aussah und wie freundlich er sei. Ich war eine von vielen, die außerhalb der Tore dieser Ranch darauf warteten, ihn wenigstens einen Augenblick lang sehen zu können. Das alleine regte mich fürchterlich auf; er war seit neun Jahren meine 'Nummer Eins' und ich grübelte immer wieder, ob ich ihm nun endlich von Angesicht zu Angesicht begegnen würde.
Natürlich versuchte ich mein Glück, aber es gelang mir nicht, an den Polizeiabsperrungen vorbeizukommen - die Wachmannschaften hatten strikte Anweisungen und nach all ihren Erlebnissen mit Verehrern, die sogar außen an Balkonen hochstiegen, war es nur allzu verständlich, daß sie keinem Fan glaubten, der versprach, einfach ruhig in einer Ecke zu sitzen. Eigentlich konnte ich es ihnen nicht verdenken.
Am Donnerstag begab ich mich wieder zum Drehort. Ein weiterer Fan und ein lokaler Disc-Jockey (der so vernarrt in Elvis war, daß es ihn schließlich sogar seinen Job kostete), begleiteten mich. Als Colonel Parker's Wagen langsam durch das Tor glitt, steckte ich dem Fahrer eine Nachricht zu, überkreuzte die Finger und betete. Das Wetter war herrlich und der Himmel erstrahlte in seinem schönsten Blau. Die Zeit verging und ich wurde nicht unbedingt ruhiger. Stunde um Stunde verstrich. Alfred Hitchcock's beste Inszenierung hätte meine Nerven nicht mehr belasten können.
Zur Mittagszeit rumpelte ein Auto die schmutzige, sandige Straße herunter und wirbelte Staubfontänen auf, um schließlich direkt beim Tor stehenzubleiben. Ein junger Mann sprang heraus und fragte den Wächter, wer Sue Wiegert sei. Bevor sich eventuell hundert andere meldeten, hob ich meine Hand - etwas schwach, aber immerhin. Der Mann - es stellte sich heraus, daß es Sonny West war - setzte mich kurzerhand in den Wagen und schon fuhren wir zurück zum Drehort.
Ich hatte ein komisches Gefühl im Magen, etwa so, als hätte ich einen hawaiianischen Blütenkranz verschluckt. Mein Brief war an Colonel Parker gerichtet gewesen, aber ich ahnte, daß es nicht er war, zu dem ich gebracht wurde. Um sicherzugehen, fragte ich. Sonny erklärte mir, daß ich während der Drehpause Elvis treffen würde. Ganz einfach so. Ich hatte es gewußt - und trotzdem: Ich sprang vor Aufregung beinahe aus dem Auto.
Schneller als Elvis What'd I Say singen konnte, waren wir angekommen und Sonny half mir aus dem Wagen. Er führte mich über eine holprige Wiese zu einem Tisch, wo ein ein paar Leute aßen; dort wartete ich, während er ein Getränk für mich besorgte. Ich saß also inmitten dieser Gruppe, bemühte mich, niemanden anzustarren und fand es urplötzlich höchstinteressant, mir jedes einzelne Sandkörnchen von den Schuhen zu putzen. So harrte ich mit angestrengt gesenktem Blick der Dinge, bemerkte aber trotzdem, daß Elvis' Vater, der mir freundlich zuwinkte, am Ende des Tisches saß. Red West war ebenfalls da - nur Elvis nicht. Ich hatte absolut kein Geräusch gehört, aber plötzlich sagte eine Stimme rechts von mir: "Hi, wie geht s?"
Ich drehte mich zu dieser Stimme und blickte geradewegs in jene wunderschönen, blauen Augen und kippte unverzüglich aus meinen mittlerweile fast neuwertig sauberen Schuhen. Mein Kopf flog davon wie ein Ballon, dessen Öffnung jemand mit zwei Fingern festgehalten und plötzlich losgelassen hatte, und alles, was ich mir vorgenommen hatte zu sagen (im Gesamtumfang etwa wie Tolstoi's Krieg und Frieden), gleich mit. Ich hätte in meinem ganzen Leben niemals geglaubt, jemanden zu treffen, der so fantastisch aussah! Seine Wimpern waren endlos lang und stellten sich am Ende ein wenig auf. Sein Gesicht wirkte glatt und sanft; es strahlte Vitalität und heitere Freundlichkeit aus. Das einzige, was ich sagen konnte, war "Heiß!" - Elvis sah mich ein wenig verwirrt an. Viele Jahre später habe ich begriffen, daß er genauso nervös war, mich zu treffen, wie umgekehrt ich und daß meine Schüchternheit nicht gerade hilfreich war, das Gespräch in Gang zu bringen. Es war dann auch eher ein Monolog seinerseits, weil ich zu aufgeregt war, um viel zu sprechen. Ich brauchte eine ganze Weile, um mich an seine Ausstrahlung soweit zu gewöhnen, daß ich - viel später und nicht an diesem Tag - einfach alles mit ihm bereden konnte.
"Ich habe gehört, Du hast bereits drei Tage da draußen gestanden und gewartet?" fragte er vorsichtig, worauf ich bejahte. "Ich - ich habe nicht gewußt, daß Du da draußen warst!" meinte er in beinahe entschuldigendem Tonfall. In diesem Moment lief Joe Esposito vorbei, stellte sich vor und entschuldigte sich ebenfalls. Er erklärte mir ausführlich, sicherlich nicht Schuld zu sein, daß ich so lange 'ausgesperrt' gewesen war. Es fehlte nur noch, daß der Colonel sich ntschuldigte, aber das hat er wohl sein ganzes Leben lang nicht getan. Die Polizei erzählte den Fans immer, daß Elvis' Leute die Fans nicht wollten, aber das sei nicht wahr, führte Joe aus. "Bist Du sicher, daß Du nicht doch Schuld warst, Joe?" fragte ich, aber Elvis meinte: "Aber nein, die haben wahrscheinlich nur gesagt, er war es, weil ihnen niemand anderer eingefallen ist!"
Er wandte sich mir zu und erkundigte sich, wie es in Memphis gewesen sei, weil ich erst vor kurzem dort Urlaub gemacht hatte. Ich sagte ihm, wie schön Graceland sei und er stimmte mir zu: "Ja, ich weiß! Ich wünschte, ich könnte dort mehr Zeit verbringen!"
Da ich auch Tupelo besucht hatte, erzählte ich ihm, daß man das kleine Häuschen, in dem er geboren worden war, geschlossen hatte, weil die Fans versucht hatten, Teile des Bodens und anderes im Haus als Souvenir mitzunehmen; ginge es nach dem Willen der Fans, so hätten sie es bis zum Fundament abgetragen! Elvis lachte und meinte zu Joe: "Wir werden eines Tages nach Graceland zurückkommen und es wird nicht mehr da sein - nothin', man!"
Es entstand eine kleine Pause und ich dachte mir, daß ich wirklich etwas sagen sollte. Immerhin hatte ich um dieses Treffen gebeten und er hatte sich tatsächlich die Zeit genommen, sich speziell zu mir zu setzen, also erkundigte ich mich: "Geht es Dir gut, Elvis?" Er setzte sich zurecht und ich ergänzte: "Nach der Erkältung, meine ich!" Er sah mir direkt in die Augen und der Ausdruck sprach Bände. Er versuchte wohl einen Moment lang zu ergründen, weshalb sich so viele wildfremde Leute um ihn Sorgen machten. Was auch immer er in meinen Augen sah, er senkte seinen Blick schließlich und entgegnete: "Ja, ich bin in Ordnung."
Für ein paar Augenblicke drehte er sich weg und ich sah seinen Hinterkopf. Seine Haare waren länger als üblich und er strich sich regelmäßig mit den Fingern zurück. Einige Leute am Tisch begannen über seine Karatekünste zu sprechen. Er demonstrierte mir sogleich, daß er die Finger seiner linken Hand viel weiter auseinanderspreizen konnte als die seiner rechten. Die Adern an seinem Arm traten hervor und die Hand begann unter der Anstrengung, die Finger doch weiter zu spreizen, zu zittern, aber durch seine zahllosen Karateübungen - die vielen Bretter, die er mit der rechten Hand zerschlagen hatte - gelang es ihm kein bißchen. Er deutete schließlich einen schnellen, harten Schlag gegen den Tisch an und lachte über sich selbst. Während wir uns unterhielten, war Elvis in ständiger Bewegung. Wenn seine Füße nicht unruhig wippten, dann trommelte er wild mit den Fingern am Tischrand und ein paar Mal lehnte er sich in seinem Stuhl so weit zurück, daß ich schon erwartete, er würde umfallen und im Sand landen. Irgendjemand in der Runde brachte das Thema auf Mangos und erzählte, daß es heuer eine Rekordernte gäbe und jeder versuchte, seine überschüssigen Bestände loszuwerden. Elvis meinte nur, daß er Mangos sehr gerne esse, war aber ziemlich verblüfft, als ihn jemand fragte, ob er schon einmal Mangokuchen versucht habe und rief: "Mangokuchen?" Nun wurde das Thema um die Fruchtfliege erweitert, die oft ein großes Problem darstellte. Die Regierung ließ in einer großangelegten Aktion die Felder behandeln, um die männliche Fruchtfliege zu sterilisieren, was die rasante Vermehrung eindämmen sollte. Elvis empfand große Sympathie für das bemitleidenswerte Insekt und meinte, das könne man der armen, männlichen Fliege doch nicht antun: "Es ist ja nicht seine/ihre Schuld!" Er versprach sich dabei und sagte "fluit fly" statt "fruit fly" und ein Mann am Tisch rief: "Ganz richtig, Elvis, ganz richtig!". Er lachte laut auf und wiederholte "Fluit fly, fluit fly!". Auch ich mußte lachen. Mir fiel in den kommenden Jahren immer wieder auf, daß Elvis' Lachen so ehrlich und herzlich war, daß man nicht anders konnte, als ebenfalls lachen - sogar wenn die Angelegenheit selbst vielleicht gar nicht so komisch war.
Ein paar Leute unterhielten sich, welche Plätze der Insel Elvis gesehen haben sollte und rieten ihm mit hinterhältigen Blicken, ein Lokal names 'Yappy' zu besuchen. Ich warf Elvis einen prüfenden Blick zu und er lächelte zurück, aber ich bin mir bis zum heutigen Tag nicht sicher, ob er gewußt hatte, was sie im Schilde führten - denn dieses Lokal war damals der Treffpunkt der Homosexuellen von Honolulu!
Ich wollte wissen, ob er schon irgendwelche bekannten Plätze besichtigt habe und ob er überhaupt fortgehen könnte wie gewöhnliche Leute. Er meinte, er könne zwar durchaus weggehen, habe aber diesmal noch überhaupt nichts gesehen, denn "wenn die Leute in Scharen um mich herumstehen, ist es einfach sicherer für mich, im Hotel zu bleiben!". Es herrschte bereits Aufbruchstimmung und ich ahnte, daß Sonny West mich bald wieder zurück zum Tor bringen würde, was ich Elvis erklärte, damit er sich nicht wundere, wohin ich verschwunden sei, sobald er mit dem Filmen wieder begonnen habe. Es war wirklich keine versteckte Bitte von mir, aber verständlicherweise mein größter Wunsch! Das hatte er wohl gespürt, denn er beeilte sich zu sagen: "Nein, nein, Du kannst bleiben!" Schließlich erhob er sich und meinte, "Nun, ich seh' Dich später!" und er stapfte davon. Ich rief "Elvis!", er drehte sich um und ich sagte einfach nur "Danke!". Er lächelte und nickte mir zu.
Am Nachmittag wurde eine Szene gefilmt, die im endgültigen Film fehlte, obwohl das dazugehörende Lied auf dem Soundtrack-Album als Bonus-Song zu finden war. Donna Butterworth sollte auf seinen Knien schlafen, während er mit Marianna Hill beim Feuer saß und Sand Castles sang. Die Szene wurde fünf- oder sechsmal probiert; es wurde die Aufnahme eingepielt, die Elvis in Hollywood gemacht hatte, aber er sang auch tatsächlich mit, während gefilmt wurde. Zwischen den einzelnen Aufnahmen prüfte Donna Butterworth Elvis' Karatehand und er machte eine verspielte Handbewegung, als wolle er seine Künste an ihr ausprobieren. Sie maßen auch ihre Kräfte aneinander. Obwohl Elvis den Anschein machte, daß er sich entsetzlich bemühte, ihren Arm niederzudrücken, 'gewann' schließlich Donna.
Der vorliegende Artikel erschien erstmals im November 1995 in BIB Nr. 12. Zum Artikel gehörten sechs zur Anekdote passende Bilder - bestellen Sie BIB #12, um Elvis 1965 auf Hawaii zu sehen. Der Text des Artikels selbst ist - wie alle anderen Artikel - ungekürzt. Die nachfolgenden Erinnerungen an die Dreharbeiten zu Paradise, Hawaiian Style sollten allen Fans die Augen schimmern lassen und die Herzen erwärmen. Superstar Elvis, wie ihn nur wenige gekannt haben! Wahrhaft paradiesische Erinnerungen....
Von Sue Wiegert (Übersetzt & bearbeitet von Peter Schittler)
Sue Wiegert gehört zweifellos zu den Fans, die die meisten von uns endlos beneiden: Seit Mitte der 60er Jahre entwickelte sich bei vielen persönlichen Treffen eine Beziehung zu Elvis, wie sie wahrscheinlich nur die wenigsten Menschen, die sich nicht zu seinem unmittelbaren reundeskreis zählten, aufbauen konnten. Im Sommer vor 30 Jahren drehte Elvis Paradise, Hawaiian Style auf Hawaii und genau dorthin wollen wir blenden - Sue Wiegert erzählt uns ihre Eindrücke von damals, ergänzt um die Fotos von Millie De Palmer's Tochter, die damals ebenfalls anwesend war.
Elvis kam im August 1965 auf Hawaii an und brachte eine Erkältung mit. Obwohl er in den frühen Morgenstunden ohne irgendeine vorherige Verständigung der lokalen Fans eingetroffen war, verbreitete sich rasch die Kunde, daß er im 24. Stock des Ilikai Hotel residierte, daß seine Türe von Sicherheitsleuten bewacht war und er keinen Schritt außerhalb seines Zimmers ohne Polizeieskorte tat. Der erste Drehort war bei der Hanauma Bay, wo schon für Blue Hawaii gefilmt worden war. Den Fans war es nicht gestattet, ihm auch nur im entferntesten nahe zu kommen und genauso geschah es auch. Wir sahen nicht einmal seine Nasenspitze, obwohl uns selbst das schon gefreut hätte. Millie De Palmer's Tochter hatte mehr Glück. Sie arbeitete in einem Restaurant am Flughafen. Kurz nach Elvis' Ankunft läutete das Telefon und jemand bestellte Verpflegung für eine ganze Menge Leute - und ob man das alles zu Elvis an den Drehort zustellen konnte! Natürlich konnte man! Alle Angestellten, die mitkommen wollten, waren herzlich dazu eingeladen, sodaß schlußendlich das Restaurant für ein paar Stunden zugesperrt wurde. Obwohl der Drehort nicht gerade nahegelegen war, handelte es sich um die schnellste jemals in diesem Restaurant erledigte Bestellung. Millie's Tochter war natürlich auch dabei und nahm in überschwenglicher Freude einige Schnappschüsse auf. Sie durfte sich während der gesamten Lunchpause dort aufhalten und wurde Elvis auch vorgestellt, der ein paar freundliche Worte an sie richtete.
Der nächste Schauplatz war nahe Chinaman's Hat, eine Ranch im Privatbesitz. Ein Fan hatte es tolldreist gewagt, mit ihrem Pferd direkt bis zu Elvis am Strand zu reiten und sie erzählte, wie toll er aussah und wie freundlich er sei. Ich war eine von vielen, die außerhalb der Tore dieser Ranch darauf warteten, ihn wenigstens einen Augenblick lang sehen zu können. Das alleine regte mich fürchterlich auf; er war seit neun Jahren meine 'Nummer Eins' und ich grübelte immer wieder, ob ich ihm nun endlich von Angesicht zu Angesicht begegnen würde.
Natürlich versuchte ich mein Glück, aber es gelang mir nicht, an den Polizeiabsperrungen vorbeizukommen - die Wachmannschaften hatten strikte Anweisungen und nach all ihren Erlebnissen mit Verehrern, die sogar außen an Balkonen hochstiegen, war es nur allzu verständlich, daß sie keinem Fan glaubten, der versprach, einfach ruhig in einer Ecke zu sitzen. Eigentlich konnte ich es ihnen nicht verdenken.
Am Donnerstag begab ich mich wieder zum Drehort. Ein weiterer Fan und ein lokaler Disc-Jockey (der so vernarrt in Elvis war, daß es ihn schließlich sogar seinen Job kostete), begleiteten mich. Als Colonel Parker's Wagen langsam durch das Tor glitt, steckte ich dem Fahrer eine Nachricht zu, überkreuzte die Finger und betete. Das Wetter war herrlich und der Himmel erstrahlte in seinem schönsten Blau. Die Zeit verging und ich wurde nicht unbedingt ruhiger. Stunde um Stunde verstrich. Alfred Hitchcock's beste Inszenierung hätte meine Nerven nicht mehr belasten können.
Zur Mittagszeit rumpelte ein Auto die schmutzige, sandige Straße herunter und wirbelte Staubfontänen auf, um schließlich direkt beim Tor stehenzubleiben. Ein junger Mann sprang heraus und fragte den Wächter, wer Sue Wiegert sei. Bevor sich eventuell hundert andere meldeten, hob ich meine Hand - etwas schwach, aber immerhin. Der Mann - es stellte sich heraus, daß es Sonny West war - setzte mich kurzerhand in den Wagen und schon fuhren wir zurück zum Drehort.
Ich hatte ein komisches Gefühl im Magen, etwa so, als hätte ich einen hawaiianischen Blütenkranz verschluckt. Mein Brief war an Colonel Parker gerichtet gewesen, aber ich ahnte, daß es nicht er war, zu dem ich gebracht wurde. Um sicherzugehen, fragte ich. Sonny erklärte mir, daß ich während der Drehpause Elvis treffen würde. Ganz einfach so. Ich hatte es gewußt - und trotzdem: Ich sprang vor Aufregung beinahe aus dem Auto.
Schneller als Elvis What'd I Say singen konnte, waren wir angekommen und Sonny half mir aus dem Wagen. Er führte mich über eine holprige Wiese zu einem Tisch, wo ein ein paar Leute aßen; dort wartete ich, während er ein Getränk für mich besorgte. Ich saß also inmitten dieser Gruppe, bemühte mich, niemanden anzustarren und fand es urplötzlich höchstinteressant, mir jedes einzelne Sandkörnchen von den Schuhen zu putzen. So harrte ich mit angestrengt gesenktem Blick der Dinge, bemerkte aber trotzdem, daß Elvis' Vater, der mir freundlich zuwinkte, am Ende des Tisches saß. Red West war ebenfalls da - nur Elvis nicht. Ich hatte absolut kein Geräusch gehört, aber plötzlich sagte eine Stimme rechts von mir: "Hi, wie geht s?"
Ich drehte mich zu dieser Stimme und blickte geradewegs in jene wunderschönen, blauen Augen und kippte unverzüglich aus meinen mittlerweile fast neuwertig sauberen Schuhen. Mein Kopf flog davon wie ein Ballon, dessen Öffnung jemand mit zwei Fingern festgehalten und plötzlich losgelassen hatte, und alles, was ich mir vorgenommen hatte zu sagen (im Gesamtumfang etwa wie Tolstoi's Krieg und Frieden), gleich mit. Ich hätte in meinem ganzen Leben niemals geglaubt, jemanden zu treffen, der so fantastisch aussah! Seine Wimpern waren endlos lang und stellten sich am Ende ein wenig auf. Sein Gesicht wirkte glatt und sanft; es strahlte Vitalität und heitere Freundlichkeit aus. Das einzige, was ich sagen konnte, war "Heiß!" - Elvis sah mich ein wenig verwirrt an. Viele Jahre später habe ich begriffen, daß er genauso nervös war, mich zu treffen, wie umgekehrt ich und daß meine Schüchternheit nicht gerade hilfreich war, das Gespräch in Gang zu bringen. Es war dann auch eher ein Monolog seinerseits, weil ich zu aufgeregt war, um viel zu sprechen. Ich brauchte eine ganze Weile, um mich an seine Ausstrahlung soweit zu gewöhnen, daß ich - viel später und nicht an diesem Tag - einfach alles mit ihm bereden konnte.
"Ich habe gehört, Du hast bereits drei Tage da draußen gestanden und gewartet?" fragte er vorsichtig, worauf ich bejahte. "Ich - ich habe nicht gewußt, daß Du da draußen warst!" meinte er in beinahe entschuldigendem Tonfall. In diesem Moment lief Joe Esposito vorbei, stellte sich vor und entschuldigte sich ebenfalls. Er erklärte mir ausführlich, sicherlich nicht Schuld zu sein, daß ich so lange 'ausgesperrt' gewesen war. Es fehlte nur noch, daß der Colonel sich ntschuldigte, aber das hat er wohl sein ganzes Leben lang nicht getan. Die Polizei erzählte den Fans immer, daß Elvis' Leute die Fans nicht wollten, aber das sei nicht wahr, führte Joe aus. "Bist Du sicher, daß Du nicht doch Schuld warst, Joe?" fragte ich, aber Elvis meinte: "Aber nein, die haben wahrscheinlich nur gesagt, er war es, weil ihnen niemand anderer eingefallen ist!"
Er wandte sich mir zu und erkundigte sich, wie es in Memphis gewesen sei, weil ich erst vor kurzem dort Urlaub gemacht hatte. Ich sagte ihm, wie schön Graceland sei und er stimmte mir zu: "Ja, ich weiß! Ich wünschte, ich könnte dort mehr Zeit verbringen!"
Da ich auch Tupelo besucht hatte, erzählte ich ihm, daß man das kleine Häuschen, in dem er geboren worden war, geschlossen hatte, weil die Fans versucht hatten, Teile des Bodens und anderes im Haus als Souvenir mitzunehmen; ginge es nach dem Willen der Fans, so hätten sie es bis zum Fundament abgetragen! Elvis lachte und meinte zu Joe: "Wir werden eines Tages nach Graceland zurückkommen und es wird nicht mehr da sein - nothin', man!"
Es entstand eine kleine Pause und ich dachte mir, daß ich wirklich etwas sagen sollte. Immerhin hatte ich um dieses Treffen gebeten und er hatte sich tatsächlich die Zeit genommen, sich speziell zu mir zu setzen, also erkundigte ich mich: "Geht es Dir gut, Elvis?" Er setzte sich zurecht und ich ergänzte: "Nach der Erkältung, meine ich!" Er sah mir direkt in die Augen und der Ausdruck sprach Bände. Er versuchte wohl einen Moment lang zu ergründen, weshalb sich so viele wildfremde Leute um ihn Sorgen machten. Was auch immer er in meinen Augen sah, er senkte seinen Blick schließlich und entgegnete: "Ja, ich bin in Ordnung."
Für ein paar Augenblicke drehte er sich weg und ich sah seinen Hinterkopf. Seine Haare waren länger als üblich und er strich sich regelmäßig mit den Fingern zurück. Einige Leute am Tisch begannen über seine Karatekünste zu sprechen. Er demonstrierte mir sogleich, daß er die Finger seiner linken Hand viel weiter auseinanderspreizen konnte als die seiner rechten. Die Adern an seinem Arm traten hervor und die Hand begann unter der Anstrengung, die Finger doch weiter zu spreizen, zu zittern, aber durch seine zahllosen Karateübungen - die vielen Bretter, die er mit der rechten Hand zerschlagen hatte - gelang es ihm kein bißchen. Er deutete schließlich einen schnellen, harten Schlag gegen den Tisch an und lachte über sich selbst. Während wir uns unterhielten, war Elvis in ständiger Bewegung. Wenn seine Füße nicht unruhig wippten, dann trommelte er wild mit den Fingern am Tischrand und ein paar Mal lehnte er sich in seinem Stuhl so weit zurück, daß ich schon erwartete, er würde umfallen und im Sand landen. Irgendjemand in der Runde brachte das Thema auf Mangos und erzählte, daß es heuer eine Rekordernte gäbe und jeder versuchte, seine überschüssigen Bestände loszuwerden. Elvis meinte nur, daß er Mangos sehr gerne esse, war aber ziemlich verblüfft, als ihn jemand fragte, ob er schon einmal Mangokuchen versucht habe und rief: "Mangokuchen?" Nun wurde das Thema um die Fruchtfliege erweitert, die oft ein großes Problem darstellte. Die Regierung ließ in einer großangelegten Aktion die Felder behandeln, um die männliche Fruchtfliege zu sterilisieren, was die rasante Vermehrung eindämmen sollte. Elvis empfand große Sympathie für das bemitleidenswerte Insekt und meinte, das könne man der armen, männlichen Fliege doch nicht antun: "Es ist ja nicht seine/ihre Schuld!" Er versprach sich dabei und sagte "fluit fly" statt "fruit fly" und ein Mann am Tisch rief: "Ganz richtig, Elvis, ganz richtig!". Er lachte laut auf und wiederholte "Fluit fly, fluit fly!". Auch ich mußte lachen. Mir fiel in den kommenden Jahren immer wieder auf, daß Elvis' Lachen so ehrlich und herzlich war, daß man nicht anders konnte, als ebenfalls lachen - sogar wenn die Angelegenheit selbst vielleicht gar nicht so komisch war.
Ein paar Leute unterhielten sich, welche Plätze der Insel Elvis gesehen haben sollte und rieten ihm mit hinterhältigen Blicken, ein Lokal names 'Yappy' zu besuchen. Ich warf Elvis einen prüfenden Blick zu und er lächelte zurück, aber ich bin mir bis zum heutigen Tag nicht sicher, ob er gewußt hatte, was sie im Schilde führten - denn dieses Lokal war damals der Treffpunkt der Homosexuellen von Honolulu!
Ich wollte wissen, ob er schon irgendwelche bekannten Plätze besichtigt habe und ob er überhaupt fortgehen könnte wie gewöhnliche Leute. Er meinte, er könne zwar durchaus weggehen, habe aber diesmal noch überhaupt nichts gesehen, denn "wenn die Leute in Scharen um mich herumstehen, ist es einfach sicherer für mich, im Hotel zu bleiben!". Es herrschte bereits Aufbruchstimmung und ich ahnte, daß Sonny West mich bald wieder zurück zum Tor bringen würde, was ich Elvis erklärte, damit er sich nicht wundere, wohin ich verschwunden sei, sobald er mit dem Filmen wieder begonnen habe. Es war wirklich keine versteckte Bitte von mir, aber verständlicherweise mein größter Wunsch! Das hatte er wohl gespürt, denn er beeilte sich zu sagen: "Nein, nein, Du kannst bleiben!" Schließlich erhob er sich und meinte, "Nun, ich seh' Dich später!" und er stapfte davon. Ich rief "Elvis!", er drehte sich um und ich sagte einfach nur "Danke!". Er lächelte und nickte mir zu.
Am Nachmittag wurde eine Szene gefilmt, die im endgültigen Film fehlte, obwohl das dazugehörende Lied auf dem Soundtrack-Album als Bonus-Song zu finden war. Donna Butterworth sollte auf seinen Knien schlafen, während er mit Marianna Hill beim Feuer saß und Sand Castles sang. Die Szene wurde fünf- oder sechsmal probiert; es wurde die Aufnahme eingepielt, die Elvis in Hollywood gemacht hatte, aber er sang auch tatsächlich mit, während gefilmt wurde. Zwischen den einzelnen Aufnahmen prüfte Donna Butterworth Elvis' Karatehand und er machte eine verspielte Handbewegung, als wolle er seine Künste an ihr ausprobieren. Sie maßen auch ihre Kräfte aneinander. Obwohl Elvis den Anschein machte, daß er sich entsetzlich bemühte, ihren Arm niederzudrücken, 'gewann' schließlich Donna.
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