Good Times – Good Times?
Review
Nach Raised on Rock ist Good Times das zweite Album, das mit dem Material der 73er Stax Sessions bestückt wurde. Die LP erschien ursprünglich im März 1974 und blieb puncto Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück. Auch den Single-Auskopplungen (I've got a thing about you baby/Take good care of her und My boy/Thinking about you) war kein großer Erfolg beschieden. Das Album kam in den Charts nicht über Platz 90 hinaus (und gehört damit zu den Flop 5 der lifetime albums), die Singles schafften es immerhin auf die Plätze 39 und 20.
Der Opener Take good care of herist einer von zwei Titeln auf diesem Album, die im Juli aufgenommen wurden. Jorgensen schreibt, allein dieser Song hätte am ersten Aufnahmetag der Summer Session Elvis Interesse zu wecken vermocht (ALiM 366). Allerdings ist davon nicht allzuviel zu hören. Im Gegenteil: Take good care of her ist ein erschreckend langweiliges Lied, das von einem erschreckend gelangweilten Elvis mehr gewinselt als gesungen wird und so eher einschläfert als Interesse für dieses Album weckt: eine denkbar ungünstige Exposition. Die Opener der anderen beiden Stax-LPs, insbesondere Promised land, vermögen den Hörer in die Alben hineinzuschleudern und machen Lust auf mehr. Take good care of her hingegen ist quälend zäh und bewirkt, dass man sich von den ersten Takten an Sorgen um die Qualität dieses Albums machen muss. Und das, wie sich noch zeigen wird, nicht zu Unrecht.
Loving arms, wie alle folgenden Songs im Dezember 1973 aufgenommen, vermag diese Sorge aber zunächst zu zerstreuen, handelt es sich hierbei doch um einen stimmungsvollen Country Blues, der mir besser gefällt als sein Gegenstück Honky tonk angel. Elvis Stimme ist voll und sicher, der o.a. Winselton ist glücklicherweise nicht zu hören. Leider überzieht Elvis seine Interpretation etwas ("Dreaming of the arms that held me tight"), indem er eine mE unangebrachte Dramatik à la It's Midnight in den Song hineinbringt und dadurch die melancholische Textur von Loving arms aufreißt. Dennoch: ein feiner Song.
I got a feeling in my body bringt endlich Schwung in die Bude. Der gute Groove nährt die Hoffnung, dass sich die Zeiten nun endgültig zum Besseren wenden. Unüberhörbar ist hier der typische Stax-Sound zu vernehmen. Das Keyboardsolo ist ein Highlight. Es gibt wenige Songs in Elvis Repertoire, die derartig funkig daherkommen wie dieser. Elvis versucht mitzuhalten, was ihm auch über weite Strecken gut gelingt, aber seine Kurzatmigkeit, die ihn regelmässig zum Pressen der letzten Silben zwingt, insbesondere beim Refrainintro, bleibt nicht verborgen. I got a feeling in my body ist kein Knüller, ist aber als eigenwillige Interpretation eines religiösen Textes durchaus gelungen.
Die beiden nächsten Titel bremsen das just aufgenommene Tempo leider wieder aus und so kehren auch die Sorgen des Hörers zurück. Der Gospel If that isn’t love und und mehr noch die Ballade She wears my ring bedeuten die Rückkehr der Langatmigkeit. Wie es zwei derart uninspirierte Titel auf ein Album von Elvis Presley schaffen konnten, wäre mir ein Rätsel, wenn ich nicht gelesen hätte, dass She wears my ring zu Elvis Lieblingsliedern gehörte. Dies mag erkären, weshalb er 18 Takes investierte, um sich dann letztendlich mit Take 10 zufrieden zu geben. Das macht das Lied in meinen Augen allerdings nicht besser, ebensowenig wie Jorgensens Einschätzung, Elvis habe If that isn’t love mit Leidenschaft und Überzeugung gesungen (379). Beide Songs sind mit ähnlichen Streicher- und Chorarrangements ausgestattet, die die musikalische Schmalkost zu allem Überfluss noch in einem kleistrigem Hintergrundbrei ertränken, was die Banalität der Texte und Reime aber leider nicht verbergen kann:
This tiny ring is a token of tender emotion
An endless pool of love that's as deep as the ocean
She swears to wear it with eternal devotion
That's why I sing, because she wears my ring
Solche Zeilen und Arrangements mögen im Musikantenstadl oder auf dem Traumschiff für Entzücken sorgen, auf einem Album meines Lieblingssängers kann ich auf Klischees dieses Kalibers gut verzichten. Da hilft es auch nichts, dass Elvis versucht, den Songs etwas abzugewinnen. Aber die melodische Entwicklung ist stets vorhersehbar und irgendwie hatte ich bereits beim ersten Hören (long ago) den Eindruck, diese Songs schon lange zu kennen.
Die ehemalige B-Seite der LP startet mit I’ve got to think about you baby, eine flotte Nummer, die Elvis in unerwarteter Leichtigkeit und Frische vorträgt, den schwachen Eindruck der letzten beiden Songs allerdings nicht wettmachen kann. Auch dieser Titel weist einen angenehmen Funk Touch auf. Im Vergleich zum schwerfälligen Beginn der A-Seite steht die zweite Hälfte des Albums unter einem deutlich besseren Stern.
My boy ist ein Textverwandter von Separate Ways, entwickelt allerdings nicht die schlichte und überzeugende Ehrlichkeit des früheren Titels. My boy ist alles andere als eine typische Elvis-Nummer, die aber durchaus Charme zu versprühen vermag und bereits einige Monate zuvor in Elvis Konzertrepertoire auftauchte. Elvis legt sich richtig rein in den Song, war aber laut Jorgensen nach dem zweiten Take nur schwer dazu zu bewegen, eine dritten aufzunehmen (378).
Spanish eyes klingt wie ein Gruß aus alten Hollywoodzeiten, und so weht ein schwacher Hauch der 60s durch das Good Times-Album. Bedauerlicherweise mangelt es Spanish eyes an der delikaten Süße früherer Latino-Titel, und so verkümmert die Nummer, obwohl Elvis konzentriert bei der Sache ist. Man stelle sich nur vor, wie Elvis zehn Jahre zuvor eine Zeile wie "Please say ¡Si! ¡Si!" zelebriert hätte. Hier geht sie, zumindest mir, wegen des unterschwelligen Jammertons auf die Nerven. Elvis Stimme ist 1973 für solche suave Titel einfach nicht mehr geeignet.
Man mag es kaum glauben, aber es dauert tatsächlich bis zum neunten Track, bevor Good Times mit der ersten wirklich memorablen Nummer aufwartet. Ironischerweise ist Talk about the good times ein R&B-Standard (aus der Feder von „Guitar man“ Jerry Reed), aber wie so oft gelingt es Elvis auch hier, einem bereits zuvor erfolgreichen Song seinen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken. Talk about the good times peppt das insgesamt doch recht müde Album gewaltig auf. Wälzte sich Elvis eher routiniert durch die Balladen, so ist er hier zweifellos mit Spaß bei der Sache. Der Song ist sicher kein Opener par excellence, aber kein anderer Titel dieses Albums ist dafür besser geeignet als dieser, zumal der Titel der LP diese Eröffnung geradezu nahelegt. Der Text des Songs beklagt den Verlust der guten alten Zeiten oder kann damit als unfreiwilliger Kommentar auf Elvis Karriere verstanden werden.
Good time Charlie’s got the blues schlägt den gleichen Tenor an, aber hier ist die nostalgische Schwelgerei nicht als fetziger Country Rock, sondern als bittersüße Ballade verpackt. Das im doppelten Sinn traumhafte Gitarrenintro, Elvis entspannte, gedankenverloren erscheinende Interpretation, die latente Brüchigkeit in seiner Stimme, ein gefühlvoller wie unaufdringlicher Backgroundchor und ein ansprechender Text, der den Hörer für die Oberflächlichkeit der anderen Balladen entschädigt, machen aus diesem Song mehr als nur eine runde Sache. Der Song ist eine kleine Perle. Es ist – endlich! - "unser" Elvis, der hier singt:
You know my heart keeps tellin' me
You're not a kid at thirty-three
Play around you'll lose your wife
You play it too long you'll lose your life
Good time Charlie’s got the blues ist perfekt geeignet als letzter Track für dieses Album, indem er nicht nur dessen Titel aufgreift, sondern auch für einen besinnlichen wie versöhnlichen Ausklang einer LP sorgt, die mE das schwächste der drei Stax-Alben darstellt.
Es sind diese letzten beiden Tracks die das Album davor retten, vollständig im mauen Mittelmaß zu versinken. Auch wenn sie die Highlights darstellen, so markiert doch gerade ihr ironisch-nostalgischer Bezug zum Titel Good Times, dass die guten Zeiten für Elvis 1973/74 bereits der Vergangenheit angehörten.
Review
Nach Raised on Rock ist Good Times das zweite Album, das mit dem Material der 73er Stax Sessions bestückt wurde. Die LP erschien ursprünglich im März 1974 und blieb puncto Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück. Auch den Single-Auskopplungen (I've got a thing about you baby/Take good care of her und My boy/Thinking about you) war kein großer Erfolg beschieden. Das Album kam in den Charts nicht über Platz 90 hinaus (und gehört damit zu den Flop 5 der lifetime albums), die Singles schafften es immerhin auf die Plätze 39 und 20.
Der Opener Take good care of herist einer von zwei Titeln auf diesem Album, die im Juli aufgenommen wurden. Jorgensen schreibt, allein dieser Song hätte am ersten Aufnahmetag der Summer Session Elvis Interesse zu wecken vermocht (ALiM 366). Allerdings ist davon nicht allzuviel zu hören. Im Gegenteil: Take good care of her ist ein erschreckend langweiliges Lied, das von einem erschreckend gelangweilten Elvis mehr gewinselt als gesungen wird und so eher einschläfert als Interesse für dieses Album weckt: eine denkbar ungünstige Exposition. Die Opener der anderen beiden Stax-LPs, insbesondere Promised land, vermögen den Hörer in die Alben hineinzuschleudern und machen Lust auf mehr. Take good care of her hingegen ist quälend zäh und bewirkt, dass man sich von den ersten Takten an Sorgen um die Qualität dieses Albums machen muss. Und das, wie sich noch zeigen wird, nicht zu Unrecht.
Loving arms, wie alle folgenden Songs im Dezember 1973 aufgenommen, vermag diese Sorge aber zunächst zu zerstreuen, handelt es sich hierbei doch um einen stimmungsvollen Country Blues, der mir besser gefällt als sein Gegenstück Honky tonk angel. Elvis Stimme ist voll und sicher, der o.a. Winselton ist glücklicherweise nicht zu hören. Leider überzieht Elvis seine Interpretation etwas ("Dreaming of the arms that held me tight"), indem er eine mE unangebrachte Dramatik à la It's Midnight in den Song hineinbringt und dadurch die melancholische Textur von Loving arms aufreißt. Dennoch: ein feiner Song.
I got a feeling in my body bringt endlich Schwung in die Bude. Der gute Groove nährt die Hoffnung, dass sich die Zeiten nun endgültig zum Besseren wenden. Unüberhörbar ist hier der typische Stax-Sound zu vernehmen. Das Keyboardsolo ist ein Highlight. Es gibt wenige Songs in Elvis Repertoire, die derartig funkig daherkommen wie dieser. Elvis versucht mitzuhalten, was ihm auch über weite Strecken gut gelingt, aber seine Kurzatmigkeit, die ihn regelmässig zum Pressen der letzten Silben zwingt, insbesondere beim Refrainintro, bleibt nicht verborgen. I got a feeling in my body ist kein Knüller, ist aber als eigenwillige Interpretation eines religiösen Textes durchaus gelungen.
Die beiden nächsten Titel bremsen das just aufgenommene Tempo leider wieder aus und so kehren auch die Sorgen des Hörers zurück. Der Gospel If that isn’t love und und mehr noch die Ballade She wears my ring bedeuten die Rückkehr der Langatmigkeit. Wie es zwei derart uninspirierte Titel auf ein Album von Elvis Presley schaffen konnten, wäre mir ein Rätsel, wenn ich nicht gelesen hätte, dass She wears my ring zu Elvis Lieblingsliedern gehörte. Dies mag erkären, weshalb er 18 Takes investierte, um sich dann letztendlich mit Take 10 zufrieden zu geben. Das macht das Lied in meinen Augen allerdings nicht besser, ebensowenig wie Jorgensens Einschätzung, Elvis habe If that isn’t love mit Leidenschaft und Überzeugung gesungen (379). Beide Songs sind mit ähnlichen Streicher- und Chorarrangements ausgestattet, die die musikalische Schmalkost zu allem Überfluss noch in einem kleistrigem Hintergrundbrei ertränken, was die Banalität der Texte und Reime aber leider nicht verbergen kann:
This tiny ring is a token of tender emotion
An endless pool of love that's as deep as the ocean
She swears to wear it with eternal devotion
That's why I sing, because she wears my ring
Solche Zeilen und Arrangements mögen im Musikantenstadl oder auf dem Traumschiff für Entzücken sorgen, auf einem Album meines Lieblingssängers kann ich auf Klischees dieses Kalibers gut verzichten. Da hilft es auch nichts, dass Elvis versucht, den Songs etwas abzugewinnen. Aber die melodische Entwicklung ist stets vorhersehbar und irgendwie hatte ich bereits beim ersten Hören (long ago) den Eindruck, diese Songs schon lange zu kennen.
Die ehemalige B-Seite der LP startet mit I’ve got to think about you baby, eine flotte Nummer, die Elvis in unerwarteter Leichtigkeit und Frische vorträgt, den schwachen Eindruck der letzten beiden Songs allerdings nicht wettmachen kann. Auch dieser Titel weist einen angenehmen Funk Touch auf. Im Vergleich zum schwerfälligen Beginn der A-Seite steht die zweite Hälfte des Albums unter einem deutlich besseren Stern.
My boy ist ein Textverwandter von Separate Ways, entwickelt allerdings nicht die schlichte und überzeugende Ehrlichkeit des früheren Titels. My boy ist alles andere als eine typische Elvis-Nummer, die aber durchaus Charme zu versprühen vermag und bereits einige Monate zuvor in Elvis Konzertrepertoire auftauchte. Elvis legt sich richtig rein in den Song, war aber laut Jorgensen nach dem zweiten Take nur schwer dazu zu bewegen, eine dritten aufzunehmen (378).
Spanish eyes klingt wie ein Gruß aus alten Hollywoodzeiten, und so weht ein schwacher Hauch der 60s durch das Good Times-Album. Bedauerlicherweise mangelt es Spanish eyes an der delikaten Süße früherer Latino-Titel, und so verkümmert die Nummer, obwohl Elvis konzentriert bei der Sache ist. Man stelle sich nur vor, wie Elvis zehn Jahre zuvor eine Zeile wie "Please say ¡Si! ¡Si!" zelebriert hätte. Hier geht sie, zumindest mir, wegen des unterschwelligen Jammertons auf die Nerven. Elvis Stimme ist 1973 für solche suave Titel einfach nicht mehr geeignet.
Man mag es kaum glauben, aber es dauert tatsächlich bis zum neunten Track, bevor Good Times mit der ersten wirklich memorablen Nummer aufwartet. Ironischerweise ist Talk about the good times ein R&B-Standard (aus der Feder von „Guitar man“ Jerry Reed), aber wie so oft gelingt es Elvis auch hier, einem bereits zuvor erfolgreichen Song seinen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken. Talk about the good times peppt das insgesamt doch recht müde Album gewaltig auf. Wälzte sich Elvis eher routiniert durch die Balladen, so ist er hier zweifellos mit Spaß bei der Sache. Der Song ist sicher kein Opener par excellence, aber kein anderer Titel dieses Albums ist dafür besser geeignet als dieser, zumal der Titel der LP diese Eröffnung geradezu nahelegt. Der Text des Songs beklagt den Verlust der guten alten Zeiten oder kann damit als unfreiwilliger Kommentar auf Elvis Karriere verstanden werden.
Good time Charlie’s got the blues schlägt den gleichen Tenor an, aber hier ist die nostalgische Schwelgerei nicht als fetziger Country Rock, sondern als bittersüße Ballade verpackt. Das im doppelten Sinn traumhafte Gitarrenintro, Elvis entspannte, gedankenverloren erscheinende Interpretation, die latente Brüchigkeit in seiner Stimme, ein gefühlvoller wie unaufdringlicher Backgroundchor und ein ansprechender Text, der den Hörer für die Oberflächlichkeit der anderen Balladen entschädigt, machen aus diesem Song mehr als nur eine runde Sache. Der Song ist eine kleine Perle. Es ist – endlich! - "unser" Elvis, der hier singt:
You know my heart keeps tellin' me
You're not a kid at thirty-three
Play around you'll lose your wife
You play it too long you'll lose your life
Good time Charlie’s got the blues ist perfekt geeignet als letzter Track für dieses Album, indem er nicht nur dessen Titel aufgreift, sondern auch für einen besinnlichen wie versöhnlichen Ausklang einer LP sorgt, die mE das schwächste der drei Stax-Alben darstellt.
Es sind diese letzten beiden Tracks die das Album davor retten, vollständig im mauen Mittelmaß zu versinken. Auch wenn sie die Highlights darstellen, so markiert doch gerade ihr ironisch-nostalgischer Bezug zum Titel Good Times, dass die guten Zeiten für Elvis 1973/74 bereits der Vergangenheit angehörten.
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